Stephan Neubauer

Geschichte und Geschmack des Biers

Wer hat eigentlich wann mit dem Bierbrauen angefangen? Eine interessante Frage, die sich allerdings nicht eindeutig beantworten lässt. Fest steht, dass der Mensch eine kulturelle Vorleistung erbringen musste: Schluss mit dem Nomadendasein, ein fester Wohnsitz mit Ackerbau war notwendig. Denn ohne Getreide lässt sich kein Bier brauen. So lernte der Mensch zunächst, Brot zu backen. Die Herstellung von Bier hat sich daraus entwickelt.

Sumerer sind Urväter der Braukunst

Das erste Bier könnte etwa vor zehntausend Jahren eher aus Zufall entstanden sein, als ein Stück Brot feucht wurde und zu gären begann. In Vorderasien verstanden es verschiedene Stämme im Laufe der Zeit, Bier nach Wunsch herzustellen. Die Sumerer gelten als Urväter der Braukunst, immerhin hatten sie um 3000 vor Christus eine kleine Sortenvielfalt mit vier verschiedenen Bieren anzubieten. Auch bei den alten Ägyptern wurde bereits Jahrhunderte vor Christi Geburt Bier gebraut - das Getränk war so wichtig, dass es sogar in die Gräber beigegeben wurde. Griechen und Römer hingegen hatten mit Bier nicht viel am Hut, sie tranken lieber Wein.

Der Brauprozess

Am Anfang ist das Malz: Ausgangsstoff des Bierbrauens ist Getreide, das drei Tage lang eingeweicht wird. Danach lässt man es keimen. Bei 85 bis 100 Grad Celsius wird dieses so genannte Grünmalz anschließend getrocknet ("Darren"). Das Mälzen hat entscheidenden Einfluss auf den Charakter des Bieres, also seinen Geschmack, die Farbe und die Haltbarkeit.

In der Brauerei wird das Malz geschrotet und mit Wasser im Maischebottich vermischt ("Einmaischen"). Die festen Bestandteile, der Treber, wird getrennt. Die "geläuterte Würze" wird etwas eingedampft und mit dem Hopfen vermischt. Das Gemisch wird auf fünf Grad abgekühlt und gelangt in den Gärkeller. Die zugesetzte Hefe setzt die Gärung in Gang, die den Zucker in Alkohol und Kohlensäure umwandelt.

Nach etwa einer Woche wird die Hefe abgezogen, das so genannte Jungbier beginnt seine Reife im Lagerkeller. Diese dauert je nach Biersorte bis zu drei Monate. Dabei rundet sich der Geschmack des Bieres ab, der Restzucker wird fast vollständig abgebaut. Zudem setzen sich die restliche Hefe und die Eiweißflocken ab - das Bier wird klar. Abschließend wird das fertige Bier noch filtriert und dann abgefüllt.

Mönche pflegen Braukunst im Mittelalter

Die Germanen machten Bier zu ihrem Lieblingsgetränk. Den ältesten Nachweis für Braukunst auf deutschem Boden liefern Bieramphoren aus der Zeit um 800 vor Christus aus der Gegend von Kulmbach. Das Brauen war damals übrigens wie das Brotbacken Aufgabe der Frauen. Lange Zeit muss das Bier pappig und süß geschmeckt haben, weil kein Hopfen verwendet wurde. Das änderte sich erst im 8. Jahrhundert, als das Bier durch den Hopfen seinen fein-herben Geschmack bekam. Im Mittelalter trieben vor allem die Klöster die Braukunst voran - kein Wunder, schließlich war das starke Bier vor allem in der Fastenzeit willkommen. Mit der Säkularisierung war Anfang des 19. Jahrhunderts das Ende der meisten Klosterbrauereien gekommen - doch einige wenige gibt es noch heute, zum Beispiel in Andechs und Ettal.

Die Stammwürze

Unter Stammwürze versteht man den Anteil der aus dem Malz gelösten Stoffe vor der Gärung, vor allem Malzzucker, Eiweiß, Vitamine und Mineralien. Zwei Drittel davon werden zu Alkohol und Kohlensäure vergoren, ein Drittel bleibt unvergoren übrig. Je höher der Stammwürzegehalt, desto stärker das Bier. Die meisten Biere in Deutschland haben einen Stammwürzegehalt von elf bis 14 Prozent, das Starkbier liegt aber deutlich drüber.

Meilenstein Kältemaschine

Das 19. Jahrhundert markiert auch den Übergang zur modernen Brauwirtschaft. Die Schranken der Zünfte und Gilden fielen, der technische Fortschritt des Industriezeitalters nutzte auch den Brauereien. Ein Meilenstein war zum Beispiel die Erfindung der Kältemaschine durch Carl von Linde. Im 20. Jahrhundert folgten weitere Neuerungen: Holzfässer- und kästen wurden durch Kunststoffbehälter sowie Flaschen und Dosen abgelöst. Prozessteuerung und Computer hielten Einzug in die Brauereien. Hinzu kamen zahlreiche neue Sorten wie etwa alkoholfreies Bier oder die Biermischgetränke.

Bayerische Bierkultur

Der Freistaat gilt als das Bierland schlechthin, doch bis zum 16. Jahrhundert war das Brauen vor allem eine norddeutsche Angelegenheit. In Bayern baute man von der römischen Besetzung bis zum Dreißigjährigen Krieg vor allem Wein an. Durch die Entwicklung des Brauwesens in den Klöstern und Förderung seitens der bayerischen Herrscher lief das Bier dem Wein schließlich den Rang ab.

Mittlerweile ist Bayern ohne Bier nicht denkbar. Zwar schmeckt im Biergarten oder im Wirtshaus auch eine Apfelschorle gut, doch für die meisten gehört ein Bier (oder auch ein paar mehr) einfach dazu. Das gilt erst recht für die bayerischen Feste, allen voran die Münchner Wiesn. Die Starkbierzeit im Frühling verdankt ihre Existenz gar einzig dem besonders alkoholhaltigen Gerstensaft.